Hohe Emotionalität im Innenministerium – leider in die falsche Richtung kanalisiert
Im heutigen Artikel in der Saarbrücker Zeitung „Ministerium prüft: Wie laut sind Kampfjets über dem Saarland wirklich?“ lässt ein Referatsleiter im Innenministerium seinen ganzen Frust und Ärger ab. Das ist nicht verwunderlich, muss er doch den Frust und Ärger werktäglich terrorisierter Bürger (außer am gestrigen Gauck-Mittwoch) schlucken und hat offenbar zu wenig Unterstützung in der Landesregierung. Dabei könnte der Tag im fast komplett verschonten Saarbrücken doch so harmonisch sein. Schauen wir uns seine Vorwürfe genauer an:
Viele Saarländer leben in und um Saarbrücken, wo nur selten Kampfjets zu hören sind. Die Erkenntnisse der Landesregierung, wer den Lärm als belastend empfindet, stützen sich auf Beschwerdezahlen. Viele kennen immer noch nicht die Beschwerdenummern beim Luftwaffenamt und der Landesregierung, sprechen nicht auf einen Anrufbeantworter oder resignieren nach einigen Anrufen, nach denen sich nichts verbessert.
Das ist auswendig gelernter O-Ton des Verteidigungsministeriums und die Standardvernebelungstaktik. Wir wissen nicht, wie oft wir es noch wiederholen sollen: Eine generelle Übungsnotwendigkeit rechtfertigt nicht die Konzentration des Kampfjetslärm in unserer Region. Dass Nationen mit großen Einöden über unserer dicht besiedeltem Heimat mit Kampfjets üben, ist nicht mit „die müssen doch üben“ zu rechtfertigen. Das können sie auch in Nevada. Also bitte zurück zum Thema Kampfjetlärm. Dass die Mehrheit der Bundesbürger den Angriffskrieg in Afghanistan ablehnt, für den die US-Piloten hier angeblich üben, ist ein anderes Thema und sollte in anderem Zusammenhang diskutiert werden.
Darauf warten wir ehrlich gesagt schon lange. Nach Ghandis Phasenmodell „Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, dann hast du gewonnen“ ist die Bekämpfungsphase längst überfällig. Gut, dass der Referatsleiter den Angriff so transparent durchführt: Er zitiert möglicherweise¹ ein Lärmopfer in einer Phase ohnmächtiger Wut, das wegen der massiven Lärmkonzentration in ständiger ärztlicher Behandlung ist (mit Attest). Der Angriff zeigt mehr als deutlich, dass bereits einzelne Mitarbeiter der Landesregierung an ihrer Ohnmacht zerbrechen und ihre angestauten Emotionen nur in Richtung der Opfer entladen zu können glauben. Der Referatsleiter ist so wenig bösartig wie die Opfer des Kampfjetlärms sondern selbst ein Opfer der groben Ungerechtigkeit bei der Verteilung dessen.
Dass ein Referatsleiter so emotional um sich schießt, zeigt die schwierige Lage, in der er und die Landesregierung stecken. Es ist nun einmal kein Geheimnis, dass das Saarland zur Müllkippe des Militärs verkommen ist und besonders die US-Hörigkeit von Rheinland-Pfalz mit weiträumig zerstörter Lebensqualität und sabotiertem Tourismus im Norden und Osten bezahlen muss. Die Parteiräson verbietet es, in Berlin selbstbewusst aufzutreten und Gleichbehandlung der Saarländer mit den anderen Bürgern in Deutschland zu fordern. Es gibt dazu aber keine Alternative, und der Punkt im Koalitionsvertrag zur Verminderung des Kriegslärms verschwindet nicht so einfach. Jeder kann ihn nachlesen. Ein mit den Füßen getretenes Grundgesetz kann nicht die Basis für zufriedene Bürger sein.
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