Von unserem Vorstandsmitglied Patrick Fey
Die Innenausschusssitzung des saarländischen Landtages vom 23. August 2012 zum Thema „militärischer Fluglärm“ war sehr aufschlussreich. Sie hat gezeigt, dass die Landesregierung deutlich mehr Energie in die Diffamierung von Lärmopfern als in die Lärmreduzierung investiert. Und dies trotz der folgenden im Koalitionsvertrag der saarländischen Landesregierung auf Seite 39 fixierten Beteuerung: „Beim Bundesverteidigungsministerium und den US-Streitkräften wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass der militärische Fluglärm über dem Saarland reduziert wird.“
Statt dessen setzt sich die Landesregierung unter Zuhilfenahme der regionalen Medienlandschaft dafür ein, Lärmopfer in die Täterrolle zu drängen, indem sie Äußerungen, die von bis aufs Blut gereizten Menschen nach stundenlanger Zwangsbeschallung durch Kriegslärm, meist verursacht durch die Kampfjets der US-Airbase Spangdahlem (RLP), auf dem Anrufbeantworter eines Beschwerdetelefons hinterlassen wurden, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Damit hat die Landesregierung ihr wahres Gesicht gezeigt und klar gemacht, dass ihr das Übungsbedürfnis ausländischer Kampfjetpiloten wichtiger ist als das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung.
Ich bekenne mich übrigens ausdrücklich als Gegner des amerikanischen Militärs, denn es lässt mir leider keine andere Wahl. Es führt von unserem Land aus Angriffskriege gegen andere Länder. Von seinen Stützpunkten in Rheinland-Pfalz aus verschleppt die CIA Menschen in Foltergefängnisse. Es zerstört unsere Umwelt durch den Ausbau der US-Airbase Ramstein. Es macht mich und meine Familie mit Emissionen und a-sozialem Übungslärm durch Kampfjets aus Spangdahlem krank. Es fliegt nachts um kurz vor 22 Uhr mit übenden(!) Transportmaschinen vom Typ C-130 der US-Airbase Ramstein so tief und laut über mein Haus, so dass mein kleiner Sohn wach wird und sich ängstigt. Deswegen bin ich ein Gegner des US-Militärs und wehre mich dagegen. Das US-Militär hat eine eigene Heimat, in der es all das bequem tun kann, ohne jemandem zu schaden. Die Landesregierungen im Saarland und Rheinland-Pfalz bezeichnen diese Leute im parteibuchtreuen Kadavergehorsam gebetsmühlenartig als „unsere amerikanischen Freunde“. Orwell lässt grüßen.
Tut mir leid, liebe Landesregierungen, aber dieses warme Gefühl kann ich nicht mit euch teilen. Wären diese Leute UNSERE Freunde, würden sie die oben erwähnten Dinge nicht tun. Freunde helfen nämlich einander: Sie quälen sich nicht jeden Tag stundenlang mit Lärm und machen sich nicht krank mit Emissionen. Es scheint also, als würde dieses ominöse „unsere“ sich nur auf EUCH, die Landesregierungen, beziehen. Dann aber muss die Frage gestattet sein, in welcher Weise ihr von der Präsenz des US-Militärs profitiert? Es muss schon gravierend sein, wenn euch dabei so warm ums Herz wird. Warum aber sollen wir euch künftig weiterhin wählen, wenn ihr euch schützend vor Leute stellt, die der Bevölkerung und damit auch eurer Wählerschaft solche Dinge antun? Wie ist in diesem Zusammenhang die Phrase „unser Saarland von morgen“ von der Homepage der CDU Saar zu werten? Muss man sich darunter ein Saarland vorstellen, das ausländischen und importierten Kampfjetlärm als erlebenswertes touristisches Gut anpreisen muss, nur weil es sich für die Erhaltung der saarländischen Bundeswehrstandorte ausgesprochen hat? Dieses von Verteidigungsminister Thomas de Maizière am 2. August 2012 in Lebach propagierte Denkmodell ist nicht logisch. Im Volksmund nennt man so etwas eine „faule Ausrede“. Genau so faul ist die Ausrede der CDU Saar vom Lärmrückgang. Hier preist sie zweifelhafte Maßnahmen, die von einer Arbeitsgruppe, die unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Betroffenen tagt, im stillen Kämmerlein beschlossen worden sind, als Realität an.
Die Lärmopfer im Saarland haben die Realität anders erlebt: Es gab seit November 2011 einen kontinuierlichen Anstieg des Kampfjetlärms, im Juli einen Langzeitlärmrekord und keinen einzigen Ferientag ohne diesen a-sozialen Krach. Die Realität ist diese: Immer, wenn die Piloten der US-Airbase Spangdahlem nicht im Einsatz oder aus sonstigen Gründen außer Landes sind, herrscht in unserer Region ganztägiger Luftkrieg gegen die Bevölkerung. Wenn die Lärmopfer dann zum Telefonhörer greifen und wieder einmal das zumeist als nutzloses Hamsterrad empfundene Beschwerdetelefon anrufen, wollen sie wenigstens nicht mit Maschinen reden, wie es wegen des dauergeschalteten Anrufbeantworters fast immer der Fall ist, sondern mit Menschen. Der Sinn der Beschwerde, liebe Landesregierung, liegt übrigens nicht in der Beschwerde selbst, sondern in dem darin enthaltenen Auftrag, Änderungen herbeizuführen. Die Beschwerdeführer erwarten wenigstens, dass ihr die von euch selbst im Koalitionsvertrag gestellte Aufgabe erfüllt und mit ganzem Einsatz versucht, den sinnlosen Krach über unserer Heimat zu reduzieren. Wenn ihr dann noch Transparenz in diese Prozedur hineinbringt, Betroffene und Bürgerinitiative einbindet und endlich einmal ein angemessenes Quäntchen Solidarität demonstriert, wird euch keiner mehr einen Vorwurf machen können.
Bisher hat die Bürgerinitiative, wenn sie denn einmal bei Euch zu Gast sein durfte und einmal mehr miterleben musste, wie ihr euch schützend vor das Übungsbedürfnis der Kampfjetpiloten stellt, schon ausreichend konstruktive Vorschläge zur Lärmreduzierung gemacht. Einer davon war immer wieder „Kein Kampfjetlärm in den Ferien“. Die Schweiz kriegt das hin. Würde das dem Saarland nicht auch gut tun? Würde das nicht die Rieseninvestition des CenterParcs am Bostalsee wenigstens teilweise rechtfertigen? Ist Ruhe denn nicht besser für unsere Feriengäste als ganztägiger Kriegslärm? Statt dessen wird der Lärm nachweislich immer mehr, und man muss beim Besuch des Verteidigungsministers miterleben, dass unsere Ministerpräsidentin, in die wir einige Hoffnung gesetzt hatten, wieder einmal den Kotau vor dem Übungsbedürfnis der US-Piloten macht.
So nicht, Frau Kramp-Karrenbauer. Ihr Auftrag ist es, Schaden vom Volk abzuwenden. Fluglärm macht krank, also machen sie ihn weg. Gegen ein allgemeines Übungsbedürfnis der Bundeswehrpiloten zur Erfüllung des verfassungsmäßigen Verteidigungsauftrages und die gerechte Verteilung des dabei entstehenden Lärms über dem Bundesgebiet hat kein Mensch etwas einzuwenden. Jeder, der sich an unser Grundgesetz und an seinen gesunden Menschenverstand hält, sollte eine solche Forderung unterstützen können. Egal, welches Parteibuch er hat.
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