Von Matthias Braun, Landschaftsökologe aus Annweiler
Seit einiger Zeit beobachte ich schon Ihre interessante Seite über den Fluglärm im Raum Saarland/Pfalz. Als Landschaftsökologe beschäftige ich mich insbesondere mit den Auswirkungen von Lärm auf die Biodiversität. Das heißt wie verhalten sich Lebewesen, wenn anthropogener Lärm in ihr Habitat eindringt. Ich habe hier vorallem den Pfälzerwald in meine Forschungen einbezogen. Als Biosphärenreservat und in Teilen Naturschutzgebiet, finde ich dort relativ gute Bedingungen für meine Aufnahme. Bisher ist der Pfälzerwald nur durch zwei Bundesstraßen durchschnitten, daher befinden sich sehr viele Täler fernab jegliches Bodenlärms. Straßenlärm als konstante Geräuschkulisse stört Wildtiere weit weniger als laute Einzelereignisse (Kampfflugzeuge). Somit sind mir dort bereits einige Referenz-Aufnahmen gelungen. Diese Referenz-Aufnahmen dienen mir als Vergleich zwischen einem ungestörten Habitat und einem gestörten.
Bei meiner Arbeit werde ich immer wieder von sehr lauten Kampfflugzeugen gestört. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit diesem Lärm konfrontiert bin. Man merkt sofort, dass die Singvögel nach einem Tiefflug über den Wald erstmal sehr irritiert sind. Sie brauchen bis zu fünf Minuten, um wieder ihren normalen Chor aufzunehmen. In diesen Momenten haben andere Raubtiere die Chance zuzuschlagen. Jetzt im Frühling haben sämtliche Tierarten ihr Brutgeschäft zu erledigen. Störungen können hier dafür sorgen, dass ganze lokale Populationen aussterben.
Wenn Lärm in eine Landschaft eindringt und die normale akustische Dynamik zerstört, ist das erste Anzeichen ein Verstummen oder das Absetzen eines Alarmrufes. Bei einer sehr großen Brandbreite (wie bei Kampflugzeugen üblich) hören neben den Vögeln auch Frösche und Insekten auf, sich stimmlich zu artikulieren. Die Auswirkungen hierauf sind noch wenig erforscht. Jedenfalls bemerkt man Unregelmäßigkeiten in den Brutzyklen, der Dynamik und der sexuellen Selektion.
Der gemeinsame Gesang der Kröten zum Beispiel hat eine Schutzfunktion: Akustisch orientierte Raubtiere tun sich sehr schwer, ein Opfer anzugreifen, weil die Tiere als Einzelne für sie nicht auszumachen sind. Wenn aber die pulsierende, rhythmische Struktur verloren geht, beispielsweise durch den Überflug eines Flugzeugs, werden einzelne Kröten identifizierbar. Das Singen im Chor dient also auch dazu, Raubtiere fernzuhalten.
Allgemein kann man sagen, dass Lärm für tierische Lebewesen um einiges stärker wahrgenommen wird als von Menschen. Gerade deshalb stört dieser Lärm auch im hohen Maße das Leben. Er verursacht Stress, Krankheiten und sogar den Tod.
Laut Bundesnaturschutzgesetz §44 1.2 ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Dieser Tatbestand besteht eindeutig beim Überfliegen eines Gebietes wie dem Pfälzer Wald. Zurzeit ist das Thema des Artensterbens durchaus in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Gerade in diesem Kontext müssen wir auch den anthropogenen Lärm beachten. Hier können wir auch unmittelbar Handeln und ein absolutes Überflugverbot im Pfälzer Wald während der Brutzeit beschließen. Nur so können wir auch aktiv etwas für den Artenschutz tun. Wir verlieren ansonsten eine unglaubliche Vielfalt und Schönheit eines natürlichen Klangspektrums.
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