Wer auf seinem iPhone das aktuelle iOS 12.2 eingespielt hat, darf sich vom Webbrowser Safari mit dem Hinweis "Nicht sicher" verunsichern lassen, wenn er auf unverschlüsselte Webseiten zugreift. Von allen Seiten werden Betreiber gedrängt, ihre Webseiten per https statt http bereitzustellen, also verschlüsselt. Eigentlich eine gute Idee. Aber jede gute Idee kann man durch „geeignete“ Umsetzung in ihr Gegenteil verwandeln.
Für https braucht man sogenannte Zertifikate auf dem Webserver, die von Zertifizierungsstellen (CA) elektronisch unterschrieben sind, deren Identitäten (Stammzertifikate) wiederum im Browser hinterlegt sind. Ist das Zertifikat des Webservers nicht von einer im Browser hinterlegten CA unterschrieben, baut der Browser keine Verbindung auf. Man kann dann entweder den Browser anweisen, das Zertifikat trotzdem zu akzeptieren, oder man besorgt sich das Stammzertifikat der CA, die das Zertifikat unterschrieben hat, und importiert es in den Browser. Das Letztere ist kompliziert, erteilt großzügig Rechte und ist Nutzern im Firmenumfeld oft nicht gestattet, das Erstere wird von den Browserherstellern absichtlich immer schwieriger gemacht, und kommerzielle „Sicherheits“-Produkte lehnen diese Zertifikate in ihrer Standardeinstellung ab. Warum?
Der, der am meisten vertrauenswürdig ist, ein Zertifikat zu unterschreiben, ist der Betreiber der Webseite. Damit ist aber kein Geld zu verdienen. Daher ist das mit aller Macht ausgerollte Verfahren folgendes: Nicht der Betreiber unterschreibt sein Zertifikat, sondern meist kommerziell ausgerichtete Zertifizierungsstellen, die Geld für ihre Unterschrift nehmen und deren Stammzertifikate in allen gängigen Browsern vorinstalliert sind. Diese Zertifizierungsstellen fallen gelegentlich durch Sicherheitsmängel, Korruption oder Gefälligkeiten gegenüber „fortgeschrittenen Demokratien“ auf, stellen also „Bedarfsträgern“ heimlich Zertifikate für Webseiten anderer Leute aus. Sicherheit geht anders, aber um Sicherheit geht es nur vordergründig.
Es gibt auch Zertifizierungsstellen, die nichtkommerziell ausgerichtet sind. Allerdings fallen deren Unterschriften durch eine lächerlich geringe zeitliche Gültigkeit auf, was an die kostenlose Abgabe von Drogen zum Anfixen erinnert.
Sind alle Webseiten auf https umgestellt, hängen die Betreiber an den Zertifizierungsstellen wie ein Junkie an der Nadel. Sind sich die Zertifizierungsstellen einig (oder werden sie „überzeugt“), dass die Inhalte mancher Webseiten „unpassend“ sind, können sie die Zertifikate verweigern oder so teuer machen, dass man sie sich nicht leisten kann. Dann kann die große Masse der Internet-Nutzer die Seiten nicht aufrufen. Aber eine Zensur findet selbstverständlich nicht statt. Das wäre Stoff für eine Verschwörungstheorie. Man sollte keine Verschwörung annehmen, wo „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht“ als Erklärung ausreicht.
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