Von einem Leser aus Nonnweiler
Erinnern Sie sich noch an die Sprechchöre: „Wir sind das Volk!“? Na klar erinnern Sie sich noch daran! Erinnern Sie sich auch noch daran, in welchem Zusammenhang diese Sprechchöre zustande kamen? Na klar erinnern Sie sich noch daran: Das Volk, der Bürger, der Souverän forderte, dass endlich das von der Politik umzusetzen sei, was er, der Souverän, der Bürger, das Volk entschieden hatte. Das alles geschah in einem angeblich demokratischen Staat, der den Begriff der Demokratie auch noch im Namen führte. Wir alle wissen, wie es in Wirklichkeit mit der Demokratie bestellt war. Und, was hat das alles mit uns zu tun? Inzwischen leider mehr, als man bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte.
Nehmen wir das konkrete Ereignis. Die Saarbrücker Zeitung veröffentlicht eine Randnotiz, die mit folgendem Satz beginnt: „Das US-Militär und die Bundeswehr wollen bis Ende November prüfen, ob die Belastung durch militärischen Fluglärm über dem Saarland reduziert werden kann.“ Die Arbeitsgruppe Militärischer Fluglärm habe dazu im Innenministerium getagt und man sei überein gekommen, dass die Vetreter der US-Behörden und der zuständigen Bundesbehörden die Thematik noch einmal prüfen. Toll! Mal abgesehen davon, dass diese Arbeitsgruppe zweimal im Jahr tagt und das schon seit Jahren, die diesmalige Zusammenkunft also überhaupt nichts Besonderes war, nehmen wir es inzwischen als Selbstverständlichkeit hin, dass das US-Militär, denn nur diese „Behörde“ aller amerikanischen Behörden war anwesend, und das deutsche Militär prüfen, ob es ihnen in den Kram passt, Lärm zu vermeiden. Der Innenminister des Saarlandes, also der Beauftragte des Souverän, wird mit der Bemerkung nach Hause geschickt, er bekomme dann Bescheid, wie es weitergeht.
Hallo? Merken wir eigentlich noch, wie sich die Demokratie verabschiedet? Wir sind in Friedenszeiten. Und in denen hat das Militär sich in der Ausgestaltung seines Übungsbedürfnisses nach den in Wahrheit Zuständigen zu richten und das ist u. a. der Innenminister des Saarlandes. Auch wenn seine Kompetenz dahingehend eingeschränkt ist, dass Berlin die endgültige Entscheidungsgewalt hat. Aber auch hier sollten wir uns vor Augen führen, dass nicht das Militär in Berlin an den Schaltstellen der Macht sitzt. Das Militär darf allenfalls prüfen, wie es Entscheidungen des Souverän umzusetzen hat, nicht ob es das überhaupt möchte. Wäre das nicht so, befänden wir uns in einer Militärdiktatur. So, wie das Ganze inzwischen widerspruchslos hingenommen wird, scheinen wir auf dem besten Wege dahin. US-Militär entscheidet, bundesdeutsches Militär entscheidet, Politiker haben diese Entscheidungen demütig anzunehmen. Demokratischer Sandkasten in Reinkultur.
Die Arbeitsgruppentagungen haben bisher immer nur zu dem „Ergebnis“ geführt, dass das Militär mitgeteilt hat, es sei eben nichts zu ändern. Nicht eine der als Argument vorgeführten Ausreden, warum der Lärm angeblich nicht zu reduzieren sei, ist stichhaltig. Das wissen wir, das weiß das Militär und es hat das auch eingeräumt. Trotzdem ändert es nichts. Weil es offensichtlich der Meinung ist, es sei der maßgebliche Entscheidungsträger. Auch das US-amerikanische Militär ist dieser Ansicht. In einem Land, in dem es überhaupt nichts zu entscheiden hat.
Was aber das Allerschlimmste daran ist: Die eigentlichen Entscheidungsträger in Berlin, die deutschen Volksvertreter nicken ergeben freundlich dazu und lassen sich schon in Friedenszeiten, das sei hier noch einmal betont, das Heft aus der Hand nehmen. Was wir also von den „Prüfungen“ des sich selbst für allein zuständig erklärt habenden Militärs erwarten dürfen, ist, sollte nicht ein Wunder geschehen, klar.
Quo vadis, Deutschland?
Alle Kolumnentexte findet man im Archiv.