Die Sprache des Militärs – Kalkuliertes Missverständnis
Das Militär hat seine eigene Sprache mit eigenen Bedeutungen. Das Gefährliche daran: Sie sieht aus wie unsere Alltagssprache und wird deshalb 1:1 von Politikern und Zeitungen übernommen. Beim Militär ist ein grundsätzliches Verbot kein absolutes. Im Gegenteil: „Grundsätzlich“ ist eine Abschwächung und heißt, dass das Verbot jederzeit und beliebig oft aufgehoben werden kann. Ähnlich irreführend gebraucht das Militär den Begriff „Regelbetrieb“ im Zusammenhang mit „Ausnahmen“. Wer die Sprachtricks des Militärs nicht kennt, erwartet alle regelmäßigen und häufigen Abläufe im „Regelbetrieb“, während unter „Ausnahmen“ seltene Ereignisse verstanden werden. Und genau das ist nicht der Fall.
Offiziell findet auf der Air Base Ramstein der Regelflugbetrieb von 6 bis 22 Uhr statt, wobei Ausnahmen möglich seien, die einzeln vom Kommandeur genehmigt werden müssten. Die Militärsprache suggeriert dem Leser eine freiwillige Nachtruhe, die nur in seltenen Notsituationen nicht eingehalten wird. Die Realität ist aber eine ganz andere: Nachtfluglärm ist für die Menschen um Ramstein die Regel, nicht die Ausnahme. Es ist also überhaupt kein Problem, Ausnahmen so häufig zu genehmigen, dass sie faktisch – aber nicht den Buchstaben nach – zur Regel werden. Der heutige Abend ist keine Ausnahme.
Die Militärsprache ist eine gefährliche und wirksames Waffe zum Abwiegeln und Herunterspielen skandalöser Vorgänge. Nicht einmal ausgebildeten Journalisten fällt diese perfekteste Form der Lüge auf: das bewusste Herbeiführen und Billigen von Missverständnissen zugunsten des Lügners.
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